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Wutaishan: Von Tempeln und blinden Passagieren

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Blick von einem der kleineren Gipfel auf die Ortschaft Taihuai (Wutaishan). Fotos: OZ

Blick von einem der kleineren Gipfel auf die Ortschaft Taihuai (Wutaishan). Fotos: OZ

Ich hatte eine grandiose Berglandschaft und tolle buddhistische Tempel erwartet, als ich mich für einen Wochenendausflug zum Wutaishan entschlossen hatte. Das habe ich auch bekommen. Das Highlight war jedoch, mit welcher Dreistigkeit die Einheimischen die Eintrittsgebühr umgingen.

Die Eintrittspreise für touristische Ziele sind in China überrissen. Das weiss im Land jeder – Angestellte wie Besucher. Und es gehört beinahe zum guten Ton, die Eintrittspreise auf irgendeine Art zu prellen. Doch wie das getan wird und was die Verwaltung der touristischen Orte dagegen unternimmt, das unterscheidet sich von Ort zu Ort.

Die krassen Kontrollen gibt es in Zhangjiajie: Sobald man dort den Park betritt, muss man einen Fingerabdruck zur späteren Identifikation hinterlegen. Um den teuren Eintritt von Jiuzhaigou zu umgehen, bieten Reiseveranstalter eine passende Wanderroute an, die an den Kassen vorbeiführt. Peinlich nur, als sich vor einiger Zeit eine solche Gruppe verlaufen hatte und einen Notruf abgeben musste.

Im Fall von Wutaishan war es allerdings noch einmal ein bisschen besonders. Wie sich mein Besuch vor ungefähr drei Jahren genau abgespielt hat, das schildere ich in diesem Artikel.

Die Anreise im Gepäckraum

Ich war also an einem Freitagabend mit einer Arbeitskollegin mit dem Bummelzug durch eine tolle Berglandschaft zum kleinen Bahnhof mit dem Namen Wutaishan gefahren. Da es bereits spät abends war und es kein Weiterkommen mehr gab, mussten wir in dem wenig charmanten Kleinstädtchen übernachten.

Balanceakt an einem weniger steilen Teil des Berges.

Balanceakt an einem weniger steilen Teil des Berges.

Als wir am nächsten Morgen in den offiziellen Bus stiegen, der uns in rund einer Stunde vom Bahnhof ins eigentliche Tal von Wutaishan brachte, waren wir erstaunt, dass der Chauffeur die Passagiere immer wieder umsetzte. Nach etwa 30 Minuten hielt er ganz an und mehrere Leute stiegen aus. Wir hören, wie der Kofferraum auf- und zugeht und wir wundern uns, wohin denn so viele Leute inmitten dieser Einöde gehen wollen.

Nach zwei Kurven kommen wir bei der Kasse an und verstehen, was sich da abspielt. Alle Passagiere müssen aussteigen und den Eintritt bezahlen. Wirklich alle? Nach zwei weiteren Kurven hält der Bus erneut an. Der Fahrer öffnet den Kofferraum und all die Personen, die vorher im Bus waren, steigen nun wieder in die Kabine ein. Offensichtlich war das Bestechungsgeld für den Busfahrer und den Busbegleiter einiges niedriger als der Eintritt.

Saubere Bergluft

Die meisten Leute besuchen Wutaishan wegen der schönen Tempelanlagen. Ihre historische Bedeutung lässt sich kaum übertreiben. Sogar im 1600 Kilometer entfernten Dunhuang finden sich auf den weltberühmten Fresken der Magao-Grotten Verweise auf die Tempel von Wutaishan. Von den vier heiligen Bergen des Buddhismus in China (die anderen sind der Emeishan, Putuoshan und der bei westlichen Touristen eher unbekannte Jiuhuashan) ist er das wichtigste Pilgerziel.

Die Weisse Pagade ist das Wahrzeichen von Wutaishan.

Die Weisse Pagade ist das Wahrzeichen von Wutaishan.

Für uns ist jedoch ein anderer Aspekt wichtig: Wir sind froh, dass wir für zwei Tage aus der Dreckluft von Peking rauskommen und einmal wieder richtig durchatmen können. Wir wandern also einfach drauf los, weg von den Touristenmassen, die sich durch Taihuai, den Hauptort des Tals, drängen. Nach wenigen Minuten haben wir die wundervolle Berglandschaft für uns alleine. Wir finden einen kleinen Trampelpfad in Richtung eines mittelhohen Gipfels und folgen diesem.

Nach einigen hundert Metern verliert sich der Pfad und wir stehen auf einer Grasfläche, die steil abfällt. Von nun an müssen wir unseren Weg selber finden. Das ist nicht leicht, denn immer mal wieder ist ein Hang zu steil oder lange Streifen, die mit Dornenbüschen bewachsen sind, erlauben keine schmerzfreie Querung. Doch die Aussicht auf das Dorf und die umliegenden Berge sind die Strapazen wert. Die Bergwelt ist irritierend grün – im Gegensatz zum Dorf, wo alles sehr staubig ist. Dort wirkt es so, als hätte es seit Monaten nicht mehr geregnet. Wir liegen in der kühlen Frühlingsluft an der Sonne und bräunen unsere Gesichter.

Rundgang durch die Tempel

Am zweiten Tag steht die Besichtigung der Tempel auf dem Programm. Wer alle Anlagen besuchen will, kann sich locker ein mehrtägiges Besichtigungsprogramm zusammenstellen. Ich habe allerdings schon so viele buddhistische Anlagen gesehen, dass mich eigentlich nur die grosse weisse Stupa im Zentrum der Ortschaft interessiert. Wir besuchen also nur den Tayuan-Si und geniessen anschliessend von einem der Wachtürme die Aussicht.

Im Innern von einem der Tempel.

Im Innern von einem der Tempel.

Für viel mehr Tempel hätte die Zeit eh nicht gereicht, denn schon bald fährt der Bus zurück nach Peking. Ich sitze weit vorne neben einer grau gekleideten Nonne. Sie ist gesprächig und will mir allenhand Fotos zeigen. Die Frau stammt aus Taiwan und ist normalerweise in einem anderen Kloster immatrikuliert. Nun macht sie eine kleine Tour: einen Monat lang hat sie in Wutaishan studiert, nun zieht sie in ein anderes Kloster in Qinghai weiter, wo ein weiterer lehrreicher Monat auf sie wartet. Danach geht’s wieder zurück. Solche Touren sind bei Mönchen und Nonnen gang und Gäbe, erklärt mir die 50-jährige Frau mit dem kahlgeschorenen Kopf. Ich bin erstaunt: Die Leidenschaft fürs Reisen muss wohl sehr tief im Menschen verankert sein.

Praktische Tipps

Anreise: In Reiseführern wird meistens empfohlen, den Hochgeschwindigkeitszug nach Taiyuan zu wählen und von dort den Bus zu nehmen. Nicht unbedingt schneller aber deutlich günstiger ist es, im Bummelzug in die Stadt Shahe (Wutaishan) zu fahren und von dort in 60 Minuten zum Wutaishan zu gelangen. Beachte dazu auch meine Tipps zu den chinesischen Eisenbahnen. Wenn du schon tiefer in die Tasche greifen willst, nimmst du am besten die direkte tägliche Busverbindung ab dem Busbahnhof in Liuliqiao in Westpeking, dafür brauchst du nur vier Stunden

Unterkunft: Wutaishan hat eine gewaltige Menge an Hotels in den unterschiedlichsten Preisklassen. So lange du nicht während den Ferien und am Wochenende reist, ist eine vorherige Reservation nicht nötig. Sonst empfehle ich, auf auf Agoda und Booking vorbeizuschauen.  Beachte unbedingt meine Tipps für die Suche nach Hotels in China. Wir haben für ein ziemlich schäbiges Dreckslock mit Plumpsklo etwa 60 Yuan bezahlt, mit sehr viel Verhandlungsgeschick (oder einem chinesischen Pass) kannst du auch in einem Kloster übernachten.

Eintritt: Der Besuch von Wutaishan ist teuer, sehr teuer. Aktuell kostet der Eintritt 168 Yuan (Studenten halber Preis). Dazu kommen noch das obligatorische Busticket für die Fortbewegung innerhalb des Parks und ein Eintrittspreis für jeden einzelnen Tempel. Rechne insgesamt mit mindestens 40 Euro.

Reisezeit: Ich besuchte die Region im Mai und hatte ein wunderbares Sonnenwetter mit blauem Himmel. Nachts war es allerdings wegen der Höhenlage noch recht kühl. Der Sommer gilt als beste Reisezeit.

Kommunikation: Wutaishan wird vorwiegend von chinesischen Touristen besucht.Restaurants und Hotels sind eher schlecht auf Besucher aus aller Welt eingestellt. Deswegen empfehle ich meine Tipps zur Kommunikation in China durchzulesen.

Weitere Sehenswürdigkeiten in der Umgebung: Der Besuch von Wutaishan kannst du problemlos mit der alten Mingstadt Pingyao verbinden. In die andere Richtung kannst du nach Datong weiterreisen, das für die Yungang-Höhlen und das Hängende Kloster bekannt ist. Ein Besuch der Provinzhauptstadt Taiyuan lohnt sich eher nicht.

Bist du neu hier? Dann schau dir hier an, was Sinograph bezweckt? Wenn du auf der Suche nach Reiseinspiration bist, dann schau dich hier in der Rubrik Reiseziele um. Und vergiss nicht, Facebookfan von Sinograph zu werden. Praktische Reisetipps findest du im Chinareiseforum.

Der Beitrag Wutaishan: Von Tempeln und blinden Passagieren erschien zuerst auf Der Sinograph.


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